Bibelwoche 2022 - die ersten drei Tage

Bibelwoche 2022 - die ersten drei Tage

Bibelwoche 2022 - die ersten drei Tage

# Oekumene

Bibelwoche 2022 - die ersten drei Tage

Das Buch Daniel also. Altes Testament. Hm. Eine Geschichte voller, nun ja, unwahrscheinlicher Wunder. Einen Traum deuten, dessen Inhalt nicht bekannt ist, einen Feuerofen unversehrt überstehen, Löwen, die – zumindest Daniel – nicht beißen.

Fangen wir von vorne an. Ein abendlicher Gottesdienst zur Einführung in das Buch Daniel. Die Babylonier erobern Jerusalem, nehmen Gefangene mit. Die jüdische Elite soll nicht umgebracht werden, sondern ganz im Gegenteil gefördert und integriert werden. Dabei sollen sie aber nicht einfach zu Babyloniern gemacht werden, sondern es soll auch ein kultureller Austausch stattfinden.

Daniel und seine Freunde nehmen an. Aber gleichzeitig beharren sie darauf, nichts von den köstlichen Speisen der königlichen Tafel zu nehmen, sondern sich auf Gemüse und Wasser zu beschränken. Trotzdem sollten sie aber nicht als die ersten Veganer missverstanden werden, wie Pfarrer Brühe ausführte; es ging ihnen vielmehr um ihr Verständnis von „Reinheit“. Also Integration ja, aber Beibehaltung existentiell wichtiger religiöser Regeln. Ein Modell für uns Heutige? Können wir, anders gefragt, der aktiven Toleranz eines Nebukadnezars entsprechen?

Der zweite Teil dieses Abends befasste  sich  mit dem „Lied der jungen Männer im Feuerofen“ (ein Vorgriff auf die späteren Geschehnisse), eigentlich ein Dankgebet für die Rettung daraus. Von diesem Lied ist zu berichten. Nicht sonderlich aufregend, wenn man es liest. Aber wenn es so vorgetragen wird, im Wechsel zwischen Pfarrerin Paetel und Frau Haberland, gewinnt es plötzlich so sehr an Volumen, an Rhythmus, Kraft und Tiefe, dass man sich hinterher gefragt hat, ob es nicht tatsächlich gesungen wurde. Ja, so geht Einführung. Danke!

Am Montag trafen wir uns dann im großen Saal unserer Waldkirche. Ausgangspunkt war ein Traum des Königs Nebukadnezars, den Daniel nicht nur zu deuten, sondern sogar zu wissen,  wiederzugeben hatte. Auf diese Weise wollte der König die wirklichen Fähigkeiten Daniels resp. seines Gottes testen. Mit Gottes Hilfe gelang das Daniel auch.

Wie sieht das aber eigentlich mit unseren Träumen aus? Eine scheinbar harmlose Frage von Pfarrer Glatter. Sind sie uns am Morgen noch gewärtig, sind sie uns nur ein Rätsel oder geben sie uns Hinweise? Können wir sie gar als Gottes Fingerzeige sehen? Gehen gläubige Menschen nicht davon aus, dass Gott uns immer begleitet, warum also nicht im Traum? Ruhige und nachdenkliche Berichte, Überlegungen und Meinungen wurden ausgetauscht. Was könnte eine Bibelgeschichte Besseres auslösen?

Briton Rivière, Ölgemälde 1892 (wikimedia commoms)

Tag drei: der Tag der Wunder. Drei Freunde im siebenfach geheizten Feuerofen, Daniel in der Löwengrube. Und alle wunderbar gerettet durch das Wirken von Gottes Engeln. Der Anlass war jeweils, dass sich die Freunde standhaft weigerten, die Gebote ihres Gottes zu verletzen, bei aller sonstigen Loyalität dem mächtigen König gegenüber. Auch hier machten wir den Versuch, diesen Wundern heutige Rettungswunder gegenüber zu stellen. Interessant, dass uns Älteren einmütig als erstes dazu das „Wunder von Lengede“ einfiel; offensichtlich ein besonders prägendes Erlebnis aus unserer Kindheit oder Jugend ( sicher auch bedingt durch eine bis dahin so nicht bekannte Art der Direktübertragung im Fernsehen). Natürlich gab und gibt es auch sonst unendlich viele Rettungswunder, neben dem Bergbau vor allem auch aus der Luft – und Seefahrt. Aber verbinden wir sie mit der Barmherzigkeit und Güte Gottes? würden wir nicht sofort auf die vielen Unglücke hinweisen, in denen es eben keine Rettung gab ? Und waren diese „Wunder“ nicht einfach durch tüchtige menschliche Anstrengungen erfolgt? Außerdem waren und sind sie ja „irgendwie“ erklärbar, aber Feuerglut ohne jede Verletzung überstehen?...

Und wie, so gingen die Überlegungen weiter, verhält es sich eigentlich mit den Heilungsgeschichten Jesu in den Evangelien? Heutigen Christen scheint es schon leichter zu fallen, an die Kraft Jesu als Gottes Sohn zu glauben als an das Wirken von Gottes Engeln. Zu kurz kamen bei unseren Überlegungen wohl all die Wunder, die wir in aller Regel nicht als solche wahrnehmen: die unglaubliche Vielfalt und Schönheit der Natur. Die Geburt eines Kindes. Das Entdecken und Empfinden von Liebe. Und das größte: dass wir uns in unserer Dummheit, Gier und Angst noch nicht selbst ausgerottet haben.

Aber ja, wenn wir in höchster Not sind, dann fällt es uns schon ein: lieber Gott, hilf. Lass nicht zu dass… Und das ist gut so! Jede/r wird für sich selbst schauen, was dieses alte Buch Daniel für sie/ ihn bedeuten kann. Für mich ist es die Botschaft, dass ein Zusammenleben mit fremden Kulturen möglich ist, ein Austausch immer bereichernd ist.

Heutige Migranten kommen ebenso wenig freiwillig zu uns wie die Juden nach Babylon, denn sie werden gnadenlos getrieben von Hunger, Krieg, unendlichem Elend. Es braucht aber den beidseitigen Verzicht auf Zwang zu religiöser Anpassung bei gleichzeitiger Anerkennung geltender rechtlicher und gesellschaftlicher Regeln. Eine gemeinsame Gratwanderung…

Wie ging´s weiter? Ich selbst konnte nicht weiter teilnehmen. Aber wir können ja ein kleines, großes Wunder nutzen. Wir können uns erzählen.

Ernst Belschner   

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